Color Correction ist ein essenzieller Schritt in der Post-Production jedes Filmmaterials. Wenn man als Amateur zum ersten Mal mit diesem Thema in Berührung kommt, steht man vor einer Herkules-Aufgabe. Aus mehreren dutzend Programmen soll eines dem Workflow passende Tool ausgewählt werden. Wir werden drei von diesen Tools vergleichen, um ein wenig Licht in die Einsteigerdunkelheit zu bringen.

von Patrick Andreas Cieslik

 

Im Anfang war der Schwarz-Weiß Film. Mit der Einführung der Farbe in Film und Video ergab sich eine neue Notwendigkeit und die Möglichkeit, seinem Filmmaterial eine individuelle Note zu verpassen. „Color Correction“ und „Color Grading“ waren geboren. Zunächst nur teuren Produktionen vorbehalten, machte es die technische Entwicklung der letzten Jahre möglich dieses mächtige Werkzeug immer kostengünstiger und in Produktionen jedes Budgets einzusetzen. Heute steht uns eine unzählbare Menge an Software zur Auswahl. Den Kampf in der Königsklasse aber fechten nur wenige untereinander aus. Drei mid-range Applikationen sind das Plug-In Colorista II von Red Giant, das relativ neue Speedgrade von Adobe und der Veteran DaVinci Resolve. Wobei Letzteres eher der Königsklasse zuzuschreiben ist. Wer ohne Vorwissen in dieses Gebiet einsteigt, wird sich damit schwer tuen, welche Software er denn jetzt nutzen soll. Der beste Weg ist wohl, alle drei kennenzulernen und dann eine gute Entscheidung zu treffen.

Zum Zwecke dieses Vergleichs wurde in allen drei Varianten das selbe Footage verwendet. Die Aufnahme stammt aus einer ARRI AMIRA im Apple ProRes 4444-Codec. Der endgültige Style des Shots soll nebensächlich sein, stattdessen wollen wir am Ende das Ergebnis und den Weg dorthin vergleichen.

Meine erste Berührung mit Color Correction fand durch Colorista II statt. Dabei handelt es sich um ein Plug-In für After Effects. Da letzteres eines meiner favorisierten Tools ist, fand ich mich schnell zurecht. Red Giant selber stellt genug Tutorials zur freien Verfügung, um einen trainierten Blick in das Plug-In nehmen zu können. Hervorzuheben sind die Videos von Director Stu Maschwitz, der in fünf Teilen großartige Lehrstunden gibt. (hier geht’s zum ersten Teil seines Tutorials.) Colorista II ist absolut intuitiv, das Interface ist übersichtlich gegliedert und verzichtet auf unnötigen Schnick-Schnack. Die meiste Arbeit wird über Color-Wheels getan. Wenn notwendig, können numerische Daten eingeblendet werden, wenn man etwas genauer werden möchte. Dabei ist das Plug-In in drei Kanäle geteilt, genannt „Primary“, „Secondary“ und „Master“, was, wenn man sich erstmal mit Color Correction auseinandergesetzt hat, absolut Sinn macht. Der Secondary-Channel ist fähig seine Magie über Masken und einen mächtigen Key zu entfalten. Der Secondary Key wird über ein neues Interface eingestellt und ist dabei ungemein präzise. Wobei die Möglichkeit, beliebig viele Secondary-Channels zu erstellen ideal wäre. So muss auf andere Effekte und Masken zurückgegriffen werden, wenn viele unterschiedliche Dinge anders eingefärbt werden müssen. Oder man legt das Colorista II Plug-In mehrfach über das selbe Footage. Ich muss zugeben, dass diese Art von Bearbeitung eher dem VFX oder Compositing-Bereich zuzuschreiben ist, der erste Key macht aber schnell Lust auf mehr.

Das Interface für den Secondary-Key von Colorista II

Das Interface für den Secondary-Key von Colorista II

Colorista II greift in Echtzeit und in der Vorschau kann ohne Performance-Einbußen ein visuelles Feedback erhalten werden. Hier muss ich meine Lobeshymne aber auch schon beenden. Mag sein, dass Colorista II in After Effects gut genug für schnelle Korrekturen ist, aber ein rein visuelles Feedback reicht leider nicht aus, um ein solides Ergebnis zu produzieren. Geschweige denn über mehr als einen Shot. Anders als in der Welt der Videospiele, präziser im Shooter-Genre, ist hier „no Scope“ negativ zu werten. Für eine richtige Farbkorrektur sind RGB-Waveform und Vectroscope essenzielle Werkzeuge. Leider verfügt After Effects eben über keinerlei Scopes. Ich weiß, die neuesten After Effects-Versionen werden mit „Color Finesse“ von Synthetic Aperture verschifft. In diesem Tool können die Scopes allerdings nur im Color Finesse Interface begutachtet werden und schießen Colorista II damit ins Aus. Warum dann nicht einfach die Farbkorrektur über Color Finesse machen? Es mag wohl Leute geben die mit dem User Interface von Color Finesse arbeiten können, ich gehöre leider nicht dazu

Gut, das Fehlen von Scopes ist wohl nicht Red Giant zuzuschreiben, denn das Plug-In ist genauso für Premiere ausgelegt. Kurz zu Premiere gewechselt und siehe da, Colorista II kann seine ganze Kraft entfalten. Da Premiere sowieso ein non-linear Editor ist, kann hier die Farbkorrektur gleich über den eigenen kompletten Schnitt angewendet werden. Durch den Dynamic Link von Adobe ermöglicht sich ein toller Workflow: Premiere kommt hier für den Schnitt und die Color Correction zum Einsatz und parallel dazu kann mit After Effects, Compositing und VFX betrieben werden. Leider sind die Farbräume beider Programme nicht identisch, was zu Schwierigkeiten führen kann. Es empfiehlt sich hier daher, erst Colorista II auf seinem Footage zu deaktivieren, bevor es zu After Effects geschickt wird. Nachdem man mit dem Shot fertig ist, kann Colorista II wieder aktiviert werden, muss jetzt aber leider ein wenig nachjustiert werden.

Colorista II in Premiere Pro CC.

Colorista II in Premiere Pro CC.

Mit Adobe Speedgrade kommt nun eine neue, speziell für die Color Correction konzipierte Software von Adobe hinzu und verändert auch gleich den Workflow mit. Sollte man Speedgrade zum Werkzeug seiner Wahl für die Color Correction machen, ist es wichtig folgende Reihenfolge einzuhalten. Erst den Film in Premiere schneiden, dann erst sollte das Projekt in Speedgrade farbkorrigiert werden. Wie und wann After Effects für Compositing und VFX zum Einsatz kommt, unterliegt dem eigenen Ermessen. Auffällig ist das ungewohnte User Interface. Nach einigen langen Tutorials wird einem aber schnell klar, wie mit dieser Software umzugehen ist. Der User muss sich innerhalb seines Arbeitsprozesses darüber im Klaren sein, dass manche Effekte oder andere Einstellungen in Premiere Pro nicht einfach nach Speedgrade zu übertragen sind. Mit dem aktuellen Update von Adobe (November 2015) könnte sich das allerdings in manchen Fällen geändert haben, deswegen: einfach ausprobieren.

Hat man seinen Schnitt in Speedgrade importiert, kann die Color Correction losgehen. Die Color-Wheels und Regler fühlen sich etwas träge an, sind aber wirklich empfindlich. Überhaupt habe ich mich bei der Bearbeitung etwas eingesperrt gefühlt. Zum Einen war ich mental noch sehr an die Freiheiten von After Effects und Premiere gewohnt, zum Anderen habe ich das Gefühl, dass Speedgrade tatsächlich auf die Verwendung eines Panels ausgelegt ist, dessen Regler einen deutlich stärkeren Effekt auf die Einstellungen haben. Nach einigen Minuten des Einarbeitens verfliegt dieses Gefühl aber recht rasch, weil das Ergebnis überzeugt. Der Color-Key des Secondary-Channels ist präzise und knackig. Das Beste allerdings an Speedgrade ist die Möglichkeit seinem Clip quasi unendlich viele Primaries und Secondaries verpassen zu können. Das hat mir bei Colorista II gefehlt. Zusätzlich dazu verfügt Speedgrade über einige Basiseffekte wie Schärfen oder Weichzeichnen. Eine relativ gute Rauschunterdrückung ist innerhalb der Secondary eingebaut. Die Masken haben Anscheinend ein Problem mit der Lumetri-Ebene aus Premiere, weshalb sich angewandte Effekte in Speedgrade nicht an die Maske halten. Das kann allerdings relativ leicht mit einer Einstellungsebene umgangen werden. Das Tracking der Masken selbst hat mich nicht besonders überzeugt. Die Masken verloren bei schnellen Bewegungen an Halt, verrutschten und verirrten sich im Bild.

Adobe Speedgrade - Color Correction

Adobe Speedgrade bietet einem jedes Werkzeug, das für eine anständige Color Correction gebraucht wird.

Eine Frage, die sich einem aber förmlich aufdrängt, ist: weshalb sollte ich überhaupt noch komplexe Operationen mit Masken und Effekten in Speedgrade vornehmen, wenn ich das alles auch dank Dynamic Link in Premiere und After Effects durchführen kann? Ganz genau. Prinzipiell brauche ich das nicht in Speedgrade zu machen. Diese Software sollte tatsächlich ausschließlich für eine grundlegende Color Correction und ein Grading benutzt werden. Sie bildet mit After Effects und Premiere eine Art Dreifaltigkeit der Videobearbeitung und ist somit nur zu empfehlen. Der Weg zu meiner farbkorrigierten Version, wie das Ergebnis selbst haben mich überzeugt. Es gibt anscheinend noch einige wenige Bugs, um die sich Adobe aber in Zukunft hoffentlich kümmert, um den Workflow zwischen den dreien Programmen zu erleichtern.

Die dritte Software im Bunde der Probierten ist der Veteran DaVinci Resolve. Auf der Homepage wird mit einem riesigen und recht teuren Control-Panel geworben, welches die Bedienung der Software erleichtern soll. Ich finde die Vorstellung, wie mit einem Mischpult durch die Frames zu surfen und dabei eine Farbspur zu hinterlassen ziemlich ansprechend. Aber zum Zwecke dieses Vergleiches begnügen wir uns mit der kostenlosen „lite“-Version und meiner nicht ganz so teuren Workstation, bestehend aus MacBook Pro und zweitem Bildschirm.

Davinci Resolve in Adobe Premiere

Wer sich mit Premiere auskennt, wird sich in Davinci Resolve sofort wohlfühlen.

Was einem alteingesessenen Adobe-User wie mir sofort ins Auge springt, ist das andere Interface. Es wirkt aufgeräumt, die runden Elemente wirken freundlich und das Highlight bilden die vier kleinen Icons unten in der Mitte, die die Arbeitsschritte voneinander trennen. Ich liebe diese kleine Rakete. Der Workflow ist hier in folgende Schritte unterteilt: Das Laden des Footage in das Projekt, quasi der eigenen Bibliothek, dann das Schneiden des Films, die Color Correction und schließlich das Rendern des Films. Wer schon vorher seine Filme in Premiere geschnitten hat, wird sich hier sofort wohlfühlen. Die Bedienung ist intuitiv und nach kurzem Wandern durch die Bedienoberflächen schnell gelernt. Hat man seinen Film fertig geschnitten, klickt man schlicht auf das nächste Icon unten und man befindet sich in der Sektion Color-Correction. Diese findet hier ebenso wie in Speedgrade hauptsächlich über die Color-Wheels statt. Wenn nötig, können die selben Einstellungen auch über Color-Bars angepeilt werden. Will man jetzt ins Detail gehen und zum Beispiel den roten Streifen in unserem Footage verändern, kommen ab jetzt Nodes zum Einsatz. DaVinci Resolve arbeitet nicht mit Ebenen sondern mit Knotenpunkten. Wer noch nie damit zu tun hatte, wird eine wahre Offenbarung erleben. Man hat quasi links einen In-Punkt, fügt beliebig viele Nodes dazwischen, von denen jeder eine spezielle Aufgabe erfüllt, und verbindet diese mit dem Out-Punkt rechts. Es öffnet sich einem ein übersichtliches Bild, wie, wo und welche Einstellung wann greift. So ergibt sich ein anderer Workflow als in Premiere oder Speedgrade. Zunächst stellt man in einem ersten Node die Schwarz- und Weiß-Werte ein, erzeugt ein neues Node und kann sich hier einer ersten allgemeinen Color-Correction widmen. Dann erzeugt man immer mehr Nodes, manche parallel zueinander, manche nacheinander und widmet sich den Details. So kann ein Node zum Beispiel nur für die Scheinwerfer (s. Bild) zuständig sein. Die Effekte der Lite-Version sind verständlicherweise stark eingeschränkt. Allerdings gibt es eine Sammlung von Red Giant, genannt Universe, die man für 30 Tage kostenlos testen kann. Der native Tracker ist der Wahnsinn. Ich habe selten ein derart präzises Tool gesehen. Resolve’s Tracking-Tool betrachtet die Szene nämlich in drei Dimensionen, um ein genaues Ergebnis zu erzielen. Die Keys und Qualifier sind ebenso in Ordnung. Die Bearbeitung meines Clips hat dank des wirklich ausgezeichneten Interfaces und den Nodes nicht zu viel Zeit in Anspruch genommen und das Ergebnis überzeugt. DaVinci Resolve ist ein wirklich mächtiges Programm. Die kostenlose Lite-Version ist ein Traum. Wer allerdings professionell Farben korrigieren möchte, sollte auf die Vollversion zurückgreifen, um das volle Potenzial ausschöpfen zu können.

DaVinci Resolve

DaVinci Resolve hat einen fantastischen Tracker.

Der Sinn eines Vergleichs ist es, einen Gewinner zu finden. Nachdem ich jetzt aber alle drei Tools kennengelernt habe, muss ich leider zugeben, dass keines gewonnen hat. Gleichzeitig hat aber auch keins verloren. Colorista II, Speedgrade und DaVinci Resolve haben alle ihre Vor- und Nachteile. Ich persönlich richte die Werkzeugwahl nach meiner Aufgabe. Wenn es schnell gehen muss und es sich nur um einen kurzen Clip handelt ist Colorista II ideal. Lange und arbeitsintensive Projekte sollten mit Premiere und Speedgrade, oder DaVinci Resolve angegangen werden. Wenn jetzt allerdings After Effects eine starke Bedeutung innerhalb des eigenen Workflows inne hat, sollte man aufgrund des Dynamic Link bei Adobe-Programmen bleiben. Wer Filmmaterial seine eigene Farbe verleihen möchte, sollte sich hinsetzen und die Programme selbst ausprobieren. Color-Correction ist eine Wissenschaft für sich. Ein kleiner Fehler in den Einstellungen reicht aus, um die Szene zu ruinieren. Die richtige Farbe kann eine Szene intensivieren. Die falsche Farbe kann die Bedeutung einer Szene vollkommen verändern. Grundlegende Einstellungen wie Helligkeit und Sättigung sind schnell gelernt. Der Teufel steckt im Detail. Ich selbst habe die Bedeutung der Farbe in Film und Video vor meiner ersten Farbkorrektur unterschätzt. Color-Correction sah ich lange als rein kosmetische Maßnahme. Jedoch besteht ein Film nicht nur aus den drei Raumrichtungen und der Zeit. Ein Film hat fünf Dimensionen. Die fünfte Dimension im Film bildet die Farbe.

Color Correction Comparison - Colorista II, Adobe Speedgrade, Davinci Resolve

Die gerenderten Ergebnisse im Vergleich (Colorista II, Adobe Speedgrade, Davinci Resolve).

und sonst …